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gamescom 2014: USK Interview

Ich befinde mich hier auf der Gamescom in Köln, in Halle 10.2 am Stand der USK (Stand D011). Neben mir sitzt Herr Felix Falk, Geschäftsführer der USK.

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Felix Falk – Quelle: USK

Hallo Felix, wollen wir uns duzen oder…?

Wir sind alle Gamer, also bleiben wir bei „Du“.

Ok, du bist ja der Geschäftsführer der USK. Was ist denn überhaupt die USK?

Die USK ist die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle. Wir sind also die Selbstkontrolle der Industrie, damit die Alterskennzeichen auf die Spieleverpackungen kommen.

Handelt es sich bei der USK um eine staatliche Organisation oder ist die USK rein privat?

Beides, das ist ja gerade das Tolle in Deutschland. Wir machen das partnerschaftlich. Das heißt, an  der USK sind sowohl die Wirtschaftsverbände als auch die staatlichen Häuser beteiligt.

Wie läuft eigentlich das Prüfverfahren bei der USK ab? Testet ihr selbst?

Am Anfang reicht ein Publisher sein Spiel noch vor Veröffentlichung bei der USK ein. Das Spiel wird erst einmal technisch getestet. Anschließend wird das Spiel innerhalb der USK von unabhängigen Testern komplett durchgespielt und getestet. Der Testbericht dazu wird dann  in einer 2 ½-stündigen Präsentation einem Gremium aus unabhängigen Experten vorgestellt.

Dabei muss der Tester versuchen in dieser Zeit nicht nur jugendschutzrelevante Aspekte zu demonstrieren, sondern den Gesamteindruck des Spiels. Das Gremium muss das Spiel diskutieren,  einschätzen und bewerten. Zum Schluss vergibt ein staatlicher Vertreter innerhalb der USK als hoheitlichen Verwaltungsakt das Kennzeichen und übergibt es dem Publisher.

Der Publisher kommt aber auf jeden Fall auf die USK zu, um sein Spiel prüfen zu lassen. Dürfte er das Spiel auch ohne Prüfung in Deutschland vertreiben?

Er darf auch ohne Altersfreigabe der USK ein Spiel verkaufen, allerdings gilt dann das Jugendschutzgesetz. Ein Spiel ohne USK-Kennzeichnung darf nur an volljährige verkauft werden, selbst wenn es ein nicht Jugendschutz-relevantes Spiel ist.

Ein komplettes Durchspielen ist nicht immer möglich. Wie handhabt ihr das mit endlosen Spielen, beispielsweise MMOs?

Natürlich spielen wir ein unendliches Spiel nicht zu Ende, das wäre sehr schwierig. Da konzentrieren wir uns auf alle Kernfeatures und jugendschutzrelevanten Bestandteile. Auch die „1000 Besten Kreuzworträtsel für Windows“ können wir nicht komplett durchspielen. Wir spielen solange, bis wir den Eindruck haben, alles Relevante gesehen zu haben.

Gibt es auch No-Goes? Also Spiele, die sofort abgewiesen werden?

Eigentlich gibt es keine No-Goes. Pauschal kann man nicht sagen, dass eine Ohrfeige eine sofortige Altersfreigabe ab 12 Jahren bewirkt oder ein Schuss ein 16er Rating bekommt. Es kommt immer auf den Gesamteindruck des Spiels an.

Stellen wir uns vor, wir haben gleich in der Eröffnungssequenz eine Szene, in der der Spieler interaktiv die Tötung einer Spielfigur vollziehen muss. Oder die gleiche Szene spielt sich erst nach 40 Stunden Spielzeit mit eingebetteter Dramaturgie und Geschichte ab. Dann ist das unterschiedlich zu bewerten und das Gremium berücksichtigt dies.

Wird bei der USK unterschieden ob ein Mensch, Zombie oder eine Maschine stirbt oder sind alle gleichgestellt?

Das ist zum Beispiel ein wichtiger Fakt, ob die Spielfiguren menschenähnlich dargestellt sind und ob möglicherweise die Gewalteinwirkung realistisch dargestellt ist oder unrealistisch. Es gibt viele Nuancen und Abwägungen, die so ein Gremium treffen muss. Gerade bei bei komplexen Spielen, die bei uns in der USK eintrudeln.

Was passiert, wenn ein Spiel abgewiesen wird, weil es zu brutal ist und die Wertung dem Publisher nicht gefällt? Was kann er dann machen?

Der Publisher kann auf jeden Fall in Berufung gehen. Dieses Recht haben immer der staatliche Vertreter sowie der Antragsteller, also Publisher. Beide können sagen, sie möchten es von einem zweiten Gremium prüfen lassen. Es gibt sogar noch eine dritte Instanz bei der USK. Das ist die „Appellation“. Für den Publisher ist das dann natürlich auch eine Möglichkeit zu schauen, ob er zu seinem Recht oder der Wunschfreigabe kommt. Am Ende wird aber immer festgelegt, wofür die Gremien sich entschieden haben.

Ab wann spricht man eigentlich von einer Indizierung?

Indizierung ist nochmal was anderes. Dafür ist die USK nicht zuständig, sondern die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien, kurz BPjM. Ein Spiel, welches von der BPjM indiziert wurde, dürfen Erwachsene immer noch spielen, jedoch unterliegen diese Spiele besonderen Verkaufsbeschränkungen. Es darf nicht mehr offen beworben werden, also auch nicht mehr offen im Regal stehen usw. Damit haben wir von der USK nichts zu tun. Das Gesetz schreibt vor, wenn ein Spiel die USK-Freigabe erhalten hat, ist es indizierungssicher und darf im Nachhinein nicht mehr indiziert werden und ist frei erhältlich.

Sollte ein Spiel allerdings so gestaltet sein, dass wir als USK das Gefühl haben, es betrifft die BPjM, dann dürfen wir kein Kennzeichen vergeben.

Was müsste man alles mitbringen, um bei der USK Spieletester werden zu können?

Da muss man eine ganze Menge mitbringen. Wir machen jedes Jahr, ungefähr im Februar, eine Stellenausschreibung – die sieht man auch auf unserer Seite. Da eine Prüfung nur bei uns in der USK möglich ist und wir unseren Sitz in Berlin, nahe des Alexanderplatzes haben, sollte der Sichter in näherer Umgebung wohnen. Nebenbei haben wir im Herbst wieder einen Tag der offenen Tür, da kann man gerne vorbeikommen.

Volljährigkeit ist zwingend notwendig, da es sonst schwierig wird mit jugendschutzrelevanten Spielen. Die Sichter müssen außerdem sehr gutes Englisch können und sich mit allen Videospielplattformen sowie Genres auskennen. Man kann nicht bei uns spielen und sagen „im MMORPG ist alles super, aber der Rest interessiert mich nicht“ – das funktioniert nicht.

Zu guter Letzt muss der Sichter noch gut präsentieren können. Man muss beim Spielen, in den vielleicht anspruchsvollsten Passagen, trotzdem noch dem Gremium erklären können, was da gerade passiert. Das ist also schon ein hohes Anforderungsprofil.  Um Zahlen zu nennen: Von über 100 Bewerbungen nehmen wir pro Jahr ca. 2-4 Sichter auf.

Sind die Sichter dann dauerhaft bei euch oder werden sie jedes Jahr ausgetauscht?

Es ist im Prinzip eine ehrenamtliche Stelle, weil sie ja dem Jugendschutz dient und die Leute auch unabhängig sein sollen. Sie arbeiten zwar gegen Aufwandsentschädigung, aber es ist mehr so etwas wie ein Studienjob. Das heißt, wenn die Leute dann mit dem Studieren fertig sind, verlassen sie die USK im Durchschnitt nach 3-4 Jahren wieder.

Jetzt noch was Persönliches: Was spielst du denn so in deiner Freizeit?

Wenn ich Freizeit habe und es schaffe, dann spiele ich meistens auf dem Handy zwischendurch, weil ich  viel unterwegs bin und dann eine Konsole schwierig anzumachen geht. Ich behalte mir natürlich auch vor, wichtige Spiele in der USK auch selbst anzuspielen und zu sehen, was relevant in der Diskussion um den Jugendschutz ist.

Etwa Spec Ops The Line hatte bei uns zu einer großen Diskussion geführt. Das spiele ich dann nochmal zuhause und schaue, dass ich da einen guten Überblick behalte. Dann natürlich auch noch Spiele, die mir Spaß machen. Sei es Spec Ops, ein gutes Actionspiel oder die wiederaufgelegten Adventures von Monkey Island, um eigentlich nur zu sehen, wie die alte und neue Grafik aussehen. Das sind so meine Herzenssachen, die dann zuhause nochmal ihren Platz finden.

Gibt es da auch ein Lieblings-Genre?

Ja, wie gesagt Adventures. Also die ganz frühen Adventures habe ich noch ohne Lösungsbuch oder ähnliche Möglichkeiten durchgespielt. Actionspiele, Shooter spiele ich auch ab und zu mal gerne und natürlich die Casuals für zwischendurch.

Wo hat denn bei dir alles zum Thema Gaming angefangen?

Wo? Wahrscheinlich in meinem Kinderzimmer, als ich an meinem 286er angefangen habe, die ersten Spiele zu spielen. Meine große Gamingzeit war dann tatsächlich in der Schulzeit und kurz danach. Während des Studium habe ich das dann allerdings stark reduziert, da es einfach zu viel Zeit gefressen hat.

Würdest du mit deiner Gamingerfahrung sagen, dass sich die Spiele von heute stark verändert haben? Eventuell sogar brutaler geworden sind?

Brutaler kann man nicht sagen, weil wir in unserer Statistik sehen können, wie viele Altersfreigaben wir in welcher Kategorie vergeben haben. So sind wir im Bereich von 0 Jahren bis 18 Jahren relativ stabil. Im 18er Bereich sind wir immer so bei 5-7%, wohingegen der Bereich von 0-12 ca 80% aller Altersfreigaben ausmacht. Da hat sich also gar nicht mal so viel geändert.

Was sich natürlich fundamental verändert hat, ist nicht nur die Qualität der Spiele, sondern auch die Komplexität und der Anspruch der Spiele. Wo früher davon ausgegangen wurde, dass Spiele nur der Unterhaltung dienen, gibt es immer mehr Projekte, wie beispielsweise Papers Please – welches ich übrigens ganz toll finde – wo ganz anspruchsvoll, aber trotzdem noch unterhaltend anspruchsvolle Themen behandelt werden.

Gleichzeitig gibt es die Entwicklung, dass ein Spiel nicht mehr wie früher 2 Jahre in Entwicklung war und komplett auf den Markt geworfen wurde, um dann zu hoffen, dass die Gamer das gut finden und wartet, was passiert. Heute wird ein Spiel durch Onlinemöglichkeiten dauerhaft weiterentwickelt. Es wird immer weiter optimiert, um den Spielern auch zu gefallen. Deshalb bekommen die Nutzer auch Mitsprache und können das Spiel quasi noch nach der Veröffentlichung ändern.

Alles klar, dann danke ich dir für das Interview und wünsche noch viel Spaß auf der Gamescom.

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